Wieso zu viel Folsäure in der Schwangerschaft schädlich ist, aber Folat nicht

In der Schwangerschaft besteht ein erhöhter Folat-Bedarf. Ein Mangel kann zur Ausbildung von Neuralrohrdefekten beim Kind führen. Gerade in der Schwangerschaft sollte man aber beachten, dass Folsäure nicht gleich Folat ist. Eine Überversorgung mit Folsäure in der Schwangergerschaft kann unter Umständen gravierende Folgen haben.

 

Folsäure (Pteroylmonoglutaminsäure), eine künstliche Form von Vitamin B9, wird seit Jahrzehnten als Nahrungsergänzung empfohlen, vor allem für Schwangere. Sie schien wunderbar geeignet, um den in der Bevölkerung bestehenden Folatmangel auszugleichen und Missbildungen bei Neugeborenen zu verhindern. Doch in den letzten Jahren zeigte sich, dass die vermeintlich gute Folsäure schwere gesundheitliche Schäden verursachen kann. Nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft zu viel Folsäure einnehmen.

 

Wieso zu viel Folsäure in der Schwangerschaft schädlich ist, aber Folat nicht

In der Schwangerschaft besteht ein erhöhter Folat-Bedarf. Ein Mangel kann zur Ausbildung von Neuralrohrdefekten beim Kind führen. Gerade in der Schwangerschaft sollte man aber beachten, dass Folsäure nicht gleich Folat ist. Eine Überversorgung mit Folsäure in der Schwangergerschaft kann unter Umständen gravierende Folgen haben.

 


Folsäure (Pteroylmonoglutaminsäure), eine künstliche Form von Vitamin B9, wird seit Jahrzehnten als Nahrungsergänzung empfohlen, vor allem für Schwangere. Sie schien wunderbar geeignet, um den in der Bevölkerung bestehenden Folatmangel auszugleichen und Missbildungen bei Neugeborenen zu verhindern. Doch in den letzten Jahren zeigte sich, dass die vermeintlich gute Folsäure schwere gesundheitliche Schäden verursachen kann. Nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft zu viel Folsäure einnehmen.

 

Zu viel Folsäure führt zu überhöhten Blutwerten, weil unser Körper diese für ihn unbekannte Substanz nicht regulieren kann. Mit Folat, der natürlichen Form von Vitamin B9 aus unserer Nahrung, ist eine solche Überdosierung nicht möglich.

Hier sorgen körpereigene Mechanismen dafür, dass zu viel Folat gespeichert oder schnell ausgeschieden wird, um die Blutwerte konstant zu halten. Zudem können etwa ein Viertel aller Frauen Folsäure nicht verwerten, weil ihnen ein Enzym für die Umwandlung in Folat fehlt. Im Glauben alles richtig zu machen, nehmen sie Folsäure ein, obwohl sie bei ihnen keinerlei Wirkung hat. Der weiterhin bestehende Folatmangel gefährdet dann unbemerkt die Gesundheit der Ungeborenen - und ihrer Mütter.

Deswegen ist für Schwangere, Stillende und Frauen mit Kinderwunsch die Einnahme natürlicher Folate viel sicherer und risikofrei. Vorzugsweise über eine folatreiche Ernährung und Nahrungsergänzungen, die bioaktives Vitamin B9 in Form von Folat enthalten.

Warum wird Folat in der Schwangerschaft empfohlen?

Folat fördert das Wachstum des mütterlichen Gewebes während der Schwangerschaft. Es senkt das Risiko für Plazentaablösungen sowie von Fehl- und Frühgeburten. Zu wenig Folat kann bei Müttern zu Blutarmut, schlechter Stimmung, Erschöpfungszuständen und Depressionen führen, nicht nur während, sondern auch nach der Schwangerschaft.
Für die gesunde Entwicklung der Föten und Neugeborenen ist Folat unverzichtbar. Es wird für die Zellteilung und die dafür erforderliche Bildung neuer DNA benötigt. Ein Folatmangel der Mutter ist die häufigste Ursache für einen Neuralrohrdefekt bei Ungeborenen. Normalerweise schließt sich das Neuralrohr, die erste Stufe des zentralen Nervensystems, bereits zwischen dem 22. und 28. Tag der Schwangerschaft. Wird diese Entwicklung gestört, kann es - je nach Ausprägung - zu verschiedenen Missbildungen kommen.

Einige Kinder leiden an einem "Wasserkopf", weil das Gehirnwasser nicht richtig abfließen kann, bei anderen bildet sich eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte. Die Spina bifida, auch "offener Rücken" genannt, ist die häufigste Missbildung, die in 40 Prozent der Fälle zu einer Anenzephalie führt. Bei der Anenzephalie (griechisch für "ohne Gehirn") fehlen Teile des Groß- und Zwischenhirns, die Neurohypophyse und Teile des Schädeldachs. Die Folge sind Fehlgeburten, Totgeburten oder Babys, die nur wenige Stunden oder Tage überleben.


Da Neuralrohrdefekte mit 1 bis 1,5 Neugeborenen bei 1000 Geburten relativ häufig auftreten, ist eine ausreichende Folatversorgung vor allem in der frühen Schwangerschaft sehr wichtig. Das ist jedoch leichter gesagt als getan …

Folat vor der Schwangerschaft - zur Vorbeugung und bei Kinderwunsch

Die meisten Frauen erkennen erst 1 bis 2 Wochen nach der ausbleibenden Regelblutung, dass sie schwanger sind. Zu diesem Zeitpunkt (etwa 4 Wochen nach der Empfängnis) ist es schon zu spät, um mit der Einnahme von Folat die schweren Missbildungen des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark) zu verhindern, da die Entwicklung des Neuralrohrs bereits abgeschlossen ist. Deshalb sollten Frauen im gebärfähigen Alter generell auf eine ausgewogene Ernährung achten und ggfs. Folat-Tabletten einnehmen, um im Fall der Fälle auf der sicheren Seite zu sein. Außerdem erhöht Folat bei Kinderwunsch die Chance, schwanger zu werden. Studien zeigten, dass ungewollte Kinderlosigkeit mit einem Folatdefizit zusammenhängen kann.

Wie viel Folat ist in Schwangerschaft und Stillzeit ratsam?

Die empfohlene Tagesdosis für Folat beträgt zwischen 300 bis 400 Mikrogramm. Schwangere und Stillende haben einen weitaus höheren Bedarf. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt im ersten Drittel der Schwangerschaft neben einer folathaltigen Ernährung zusätzlich 400µg in Form einer Nahrungsergänzung, also insgesamt 700µg Folat.

Frauen, die schwanger werden wollen, sollten mit der Einnahme dieser höheren Dosierung spätestens vier Wochen vor einer möglichen Empfängnis beginnen. Während der restlichen Monate bis zur Geburt wird eine Tagesdosis von 550µg Folat empfohlen. Auch Stillende haben einen erhöhten Bedarf, weil ihr Baby für das rasante Wachstum nach der Geburt viel Folat verbraucht. Sie sollten etwa 450 Mikrogramm einnehmen.

Wird eine Frau unverhofft schwanger, empfehlen Experten eine Stoßtherapie in den ersten Wochen mit mindestens 800 Mikrogramm Folat (bitte nicht Folsäure!).

Warum ist Folat besser als Folsäure?

Folsäure ist zum Ausgleich eines Folatmangels oder bei einem erhöhten Bedarf nicht die erste Wahl. Bei vielen Frauen (ca. 25 Prozent) ist aufgrund einer Genmutation das Enzym Dihydrofolatreduktase (DHFR) für die Umwandlung von Folsäure zu Folat nur vermindert oder gar nicht aktiv. Sie nehmen Folsäure zwar auf, aber ihr Körper kann es nicht verwerten.1

Selbst wenn DHFR aktiv ist: Die Stoffwechselprozesse für die Umwandlung laufen nur sehr langsam ab, was zu einer unerwünschten Anreicherung von Folsäure im Blut führt 2. Und dafür gibt es keine Obergrenze. Da Folsäure synthetisch hergestellt wird, kennt unser Körper sie nicht. Er ist der Überdosierung praktisch hilflos ausgesetzt . Mit Folat kann dies nicht passieren, weil es für diese natürliche Vitamin B9-Form körpereigene Regelmechanismen gibt. Zu viel Folat wird entweder gespeichert oder zügig über die Nieren aus dem Körper geleitet.

Neuere Studien zeigen, dass eine zu hohe Folsäurezufuhr in der Schwangerschaft das Risiko für verschiedene Gesundheitsschäden bei Müttern - und ihren Kindern (!) - deutlich erhöht aber nicht Folat. Wobei es offenbar eine große Rolle spielt, in welcher Schwangerschaftsphase welche Mengen an Folsäure eingenommen werden. Während im ersten Drittel der Schwangerschaft hohe Dosen zum Schutz vor Missbildungen beitragen, kann zu viel Folsäure - besonders im letzten Schwangerschaftsdrittel - das Risiko von Asthma bei den Kindern im Alter von drei Jahren deutlich erhöhen 3. In einer Langzeitstudie zwischen 1998 und 2013 aus Boston (USA) stellten die Forscher fest, dass ein überhöhter Folsäurespiegel der Mutter das Risiko für Autismus bei ihrem Kind verdoppeln kann 4.

Eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2013 berichtet von einem Zusammenhang zwischen einer hohen Folsäure-Einnahme in der Schwangerschaft und dem Risiko einer Insulinresistenz der Kinder im Alter von 6 Jahren 5. 2016 kam eine andere Studie zu einem ähnlichen Ergebnis. Sie zeigte, dass durch die Einnahme von Folsäure im ersten Schwangerschaftsdrittel (!) das Risiko für eine Insulinresistenz der Mütter anstieg. Die Autoren waren sich nicht sicher, ob dies schlicht mit der hohen Folsäure-Konzentration im Blut oder mit einem versteckten Vitamin B12-Mangel zusammenhängt, der durch hohe Folsäure-Spiegel kaschiert wird 6.

Fazit:

Hält man sich die neuesten Erkenntnisse vor Augen, kann man nur zu einem Schluss kommen: Folsäure-Präparate sind für Schwangere ungeeignet und können sogar gefährlich sein.

Schwangere Frauen (und solche, die es werden wollen) sollten lieber Folat-Präparate einnehmen, um die Gesundheit ihres ungeborenen Kindes und ihre eigene Gesundheit nicht zu gefährden. Sie enthalten 5-Methyltetrahydrofolat (5-MTHF), das der Körper ohne eine weitere Veränderung in die Zellen aufnehmen und direkt verwerten kann. Mit Folat kann es auch nicht zu einer Überdosierung kommen, selbst wenn die werdende Mutter irrtümlich (oder nach dem Motto: Je mehr, desto besser) die anfangs erforderliche hohe Dosierung während der gesamten Schwangerschaft beibehält

 


Quellennachweis:

1 Folsäure ist nicht gleich Folat. Maria Pues, Pharmazeutische Zeitung Online, 43/2011

2 The extremely slow and variable activity of dihydrofolate reductase in human liver and its implications for high folic acid intake. Steven W. Bailey and June E. Ayling, PNAS, 2009

Effect of supplemental folic acid in pregnancy on childhood asthma: a prospective birth cohort study. Whitrow MJ, Moore VM, Rumbold AR, Davies MJ. Am J Epidemiol. 2009 Dec 15;170(12):1486-93. doi: 10.1093/aje/kwp315. Epub 2009 Oct 30

4  Too Much Folate in Pregnant Women Increases Risk for Autism, Study Suggests, Stephanie Desmon, Barbara Benham, Johns Hopkins School of Public Health, 2016

5 Influence of maternal vitamin B12 and folate on growth and insulin resistance in the offspring. Deshmukh U1, Katre P, Yajnik CS, Nestle Nutr Inst Workshop Ser. 2013;74:145-54; discussion 154-6. doi: 10.1159/000348463. Epub 2013 Jul 19.

6 Folic Acid Supplements Intake in Early Pregnancy Increases Risk of Gestational Diabetes Mellitus: Evidence From a Prospective Cohort Study, Beibei Zhu et. Al., Diabetes Care 2016 Mar; 39(3): e36-e37




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